Eine Erinnerung und persönliche Stellungnahme von der Autorin auf der weiblichen Seite des männlichsten Berufs.
Die Wand, die sich durch mein Leben zieht
Von Bremen nach Köln, Mitte der 1980er
Meine allererste Reise auf einem Binnenschiff startete
glückselig am Anleger der Becks Brauerei und endete an der Kölner Mauer. Der kurze Fußweg von Bord zum Bahnhof war ein schwerer,
langer Gang, denn der Matrose und ich mussten hier beschließen, unsere große Liebe nie zu leben. Bis heute erinnere ich das
tränenverschleierte Bild der gelben Gebäude und die vielfältigen Gerüche eines aktiven Hafens.
Damals endete etwas, bevor es begonnen hatte.
Ich schwor der Mauer, ich käme wieder.
Es dauerte ein Jahr, bis die Tränen versiegten.
Von Bremen nach Köln, Anfang der 1990er
Mit Möbeln pendelte mein klappriger Minibus mehrfach die
A1 auf und ab, als ich die Medienstadt zur Wahlheimat erkor. Eine Wohnung und Arbeit an Land, das war nicht mein Lebenstraum, aber die
Mentalität der Kölner und der Rhein trösteten darüber hinweg. Gleich in den ersten Tagen wandelte ich zur Kölner Mauer, lächelte
die Schiffe an und fühlte mich zuhause.
In den folgenden Jahren prägte der Rhein viele Ebenen meiner Medienarbeit. Wer sich mit dem Fluss
beschäftigt, den ernährt er auch.
Am Rheinauhafen tankte ich regelmäßig Kraft. Mir war, als würden alle wichtigen Lebensabschnitte von dieser Wand, dieser besonderen Verbindung von Wasser und Land begleitet. Wie ein unerschütterlicher, steinerner Kern meiner Reisen, ein Konstante zum Heimkehren.
Und das ging so weiter.
Von Holland nach Köln, Anfang 2000er
Viel Wasser floss den Rhein hinab und knapp an mir vorbei, bis ich endlich darauf fuhr:
Fähre, Fahrgastschiff und schließlich Binnenschiff.
Ich blieb gemeldete Kölnerin, flussauf-flussab lag der
Rheinauhafen hübsch im Zentrum der Strecke, um regelmäßig den kölschen Freundeskreis zu treffen. Den Wandel vom Hafen- zum
Wohngebiet verfolgten wir mit Sorge, doch von den Verantworlichen wurde uns hoch und heilig versprochen: "Die Liegeplätze bleiben."
Rund um die Geburt unserer Tochter lagen wir lange an der Mauer, sie kam in der Südstadt zur Welt. Ein echtes kölsches Mädel – mit holländischem Vater und bremischer Mutter. Danach sicherte ein Stopp in Köln jede Reise unter anderem die nötigen Kinderarztbesuche, Babyschwimmen, Spielplatzstunden und erste Kinderfreundschaften, die bis heute bestehen.
Von Köln nach Bremen 2012
Zum Schulalter sollte das Kind in Köln aufwachsen, mit direktem Vaterkontakt an der Mauer. Doch es kam wie so oft alles anders. Nur familiäre Umstände konnten mich zwingen, den geliebten Rhein zu verlassen und in meine Geburtsstadt Bremen zurückzukehren.
Es dauerte ein Jahr, bis die Tränen versiegten. Der maritime Norden hatte seinen Charme spielen lassen und es gab ja die beruhigende Gewissheit:
Ich komme immer wieder. Nach Köln. Zu meiner Mauer.
Dies ist meine Geschichte.
Nur eine von abertausenden Binnenschiffergeschichten der Jahrhunderte. Rund um den
Rheinauhafen.
Rund um die Samenzelle der Domstadt.
Es gibt mehr Kölner in der Schifffahrt, als die Kölner ahnen.
2018 - Letzter Abschied von der Kölner Mauer?
Doch nun ist die Gewissheit verloren.
Die Hafengesellschaft hat die Poller abgesägt.
Sie hat die Schiffer von Köln und Köln
von der Lebensader Rhein abgeschnitten.
Wie soll ich jetzt meiner Tochter einmal mit Stolz zeigen: „Hier hat mein fahrendes Leben begonnen.
Hier war immer wieder mein Dreh- und Angelpunkt. Und hier bist du geboren, hier wo die Schiffe liegen?”
„Da liegt nichts”, würde sie
zweifeln: „Nur alte Steine.”
Was soll ich sagen, wenn sie fragt: „Wo liegen die Schiffe jetzt?”
Die ehrliche Antwort
wäre: „Das wüssten die Schiffer auch gerne. Die meisten Städte wollen sie nicht mehr.”
Unhörbar würde ich hinzufügen: „Nur
von dieser Stadt hätte ich das nie gedacht.”
Wenn die
Binnenschiffe nicht an meine Mauer zurückzukehren,
ist Köln nicht mehr mein Köln.
Diesen Erinnerungstext habe ich anlässlich der Sperrung der Kölner Mauer im Februar 2018 und dem inzwischen untragbaren Liegeplatz-Notstand der Binnenschiffer geschrieben.
Inzwischen scheint eine Dalben-Lösung in Arbeit, aber nur aufgrund heftigen Protests der Binnenschiffer - und in allen anderen Städten geht der Abbau weiter.
Sehr gut veranschaulicht dies das Video "Willkommen an unserer Stadt": Zu YouTube
Es darf nicht sein, dass in diesem Land Menschen & Familien unterschiedlicher Nationen derart vom sozialen Leben abgeschnitten werden und es einer ganzen Berufsgruppe fast unmöglich gemacht wird, uns alle! umweltfreundlich mit Rohstoffen zu versorgen.
Jedes Binnenschiff trägt einen Stau von rund hundert Lastkraftwagen, die modernen Schiffe noch deutlich mehr. Mit viel geringerem Energieaufwand pro transportierter Tonne als jeder andere Verkehrsträger!
Gönnen Sie sich einmal die Ruhe, eine Stunde an der "Schiffsautobahn" Rhein spazieren
zu gehen und stellen Sie sich angesichts der Vielzahl Schiffe die Umwelt- und Emissionskatastrophe vor, wenn nur ein Teil
davon wegfallen würde.
Mehr braucht man dazu nicht sagen, das Bild wird sofort deutlich:
Auf Straße und Schiene
stünde ein einziger, langer Stau bewegungslos still - von Rotterdam bis Basel.
Wer die Binnenschifffahrt schwächt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Aber genau das passiert:
Das gesamte Wasserstraßennetz Deutschlands ist in einem völlig desolaten Zustand!
Köln brachte das Fass zum überlaufen. Die Binnenschiffer protestierten endlich lautstark. Ihre Not,
insbesondere auf dem Rhein, ist so groß, dass die sonst so eigensinnigen Schiffer sich international zusammenschließen.
Ich unterstützte diese Bewegung mit all meinen Möglichkeiten.
Die Dalbenlösung wird - infolge des Protests - von der Stadt Köln erwogen,
das ist begrüßenswert.
Doch die Mauer wird nie wieder sein, wie sie für mich war.
Diese Wand, die sich durch mein Leben zieht.
Mehr Info zum Liegeplatznotstand: Warum tuten die Binnenschiffe in Köln und Mainz?