2.1 Erosion des rheinischen Flussbettes
2.1.1 Grundlagen der Rheinerosion
Wie jeder Fluss führt auch der Rhein Geschiebe*, das heißt Geröll, Kies und Sand, mit sich.
Um einen idealen Transportweg zu bilden, müsste der Rhein mit gleichbleibender Geschwindigkeit und konstantem Wasserstand fließen und ebenso gleichmäßig sein Geschiebe mit sich schleppen. Jedoch reibt der Rhein sich ständig mit wechselnden Wasserständen an seiner Eingrenzung, also an der Sohle, den Böschungen, Ufern und Einbauten. Flussbreite, Wassertiefe, Strömung und Geschiebemenge stehen in enger Wechselwirkung zueinander.
Mit eine Ursache hierfür ist insbesondere die intensive Nutzung im Industriezeitalter, denn dem Rhein wurde vor allem im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts zuviel zugemutet. Ohne ausreichende Kenntnis über langfristige Auswirkungen zu haben, passte der Mensch den Strom den eigenen Erfordernissen an und störte damit den gleichmäßigen Abfluss des Wassers und den natürlichen Geschiebetransport.
Hat der Rhein die Möglichkeit sich zu verbreitern, so fließt er so langsam, dass er sein Geschiebe ablagert, wodurch hinderliche Verlandungen im Strom und bei Hochwasser auch auf den Ufern entstehen. Wird er in seinem Bett eingeengt, so erhöht sich seine Fließgeschwindigkeit erheblich und nimmt von seinem Grund Geröll, Kiesel und Sand in sehr großer Menge auf (Erosion), die er dann bei verlangsamter Strömung wieder an unerwünschten Stellen ablädt. Von seiner Last befreit, greifen die Wassermassen anschließend mit neuer Kraft die stromabwärts gelegene Flusssohle erneut an.
Dieser für die Schifffahrt problematische Kreislauf verursacht Millionenkosten, weil die Untiefen des Stroms immer wieder weggebaggert werden müssen, um zu verhindern, dass der Schiffsverkehr beeinträchtigt wird und bei Hochwasser ein gefährlicher Rückstau entsteht. ²)
2.1.2 Ursachen und Folgen der Erosion
Der Mensch hat durch eindeichen von sumpfigen Auen, weiter Vorländer und von Seitenarmen dem Rhein die Chance genommen sich bei Hochwasser auszubreiten und seine Strömung zu verlangsamen.
Die Einzugsgebiete des Rheines wurden mehr und mehr versiegelt, indem man Uferzonen und sogar kleinere Bäche begradigte, sowie Zuflüsse des Rheins staute. Dadurch nahm man dem Strom einen Teil seines natürlichen Geröll-Nachschubs. In diesen Bereichen erhöhte der Rhein seine Fließgeschwindigkeit, grub sich tiefer in sein Bett und verengte seinen Wasserlauf.
Viele Jahre nutzte man den Rhein und seine Uferregionen als billige Baustoff-Lieferanten, indem man in großem Umfang Kies aus dem Fluss nahm und die Wiesen zu beiden Seiten des Stromes zur Kies- und Sandgewinnung in große Baggerseen umwandelte. Dadurch wurde die Fließstruktur und das Gleichgewicht des Stroms verändert und negativ beeinträchtigt.
Durch den Abbau von Kohleflözen senkte sich die Landschaft und mit ihr auch die Sohle des Rheins. Es bildeten sich großflächige Mulden, in denen sich das Geschiebe ablagerte, das dann weiter stromabwärts dem Fluss fehlte. Dadurch senkte sich in einigen Gebieten auf Dauer der Wasserstand.
Aufgrund des niedrigen Wasserstandes haben die Schiffe zu wenig Wasser unterm Kiel. Dadurch entsteht weitere Erosion, denn die Strömung unter den Schiffen und die Wasserwirbel der Schiffsschrauben lösen Steine, Kies und Sande aus dem Untergrund, wodurch sich das Rheinwasser weiter eingraben kann.
Seit der vorletzten Jahrhundertwende sank so der Wasserspiegel bei Duisburg um 2,50 m. Zwar konnte der Prozess durch Sanierungsmaßnahmen verlangsamt werden, jedoch vertieft sich hier die Rheinsohle weiterhin um etwa 1 cm pro Jahr.
Die Senkung von Sohle und Wasserspiegel beeinflusst auch die Häfen, sowie die Anlieger. Denn um die Hafenbecken den neuen Wasserständen anzupassen, müssen diese ausgebaggert werden. Dadurch laufen die Fundamente der Kaimauern Gefahr, freigelegt zu werden. Ihre Standfestigkeit leidet und als Folge müssen die Kaimauern tiefer gegründet werden. Ein teures Unterfangen, denn jeder Zentimeter Erosion kostet die Häfen am Rhein zwischen Bonn und Emmerich rund 6,3 Millionen Mark. ³)
Schon immer ist die Rheinschifffahrt für Schiffer und Schiff kein ungefährliches Unternehmen gewesen und ist es bis heute, trotz hochentwickelter Steuerungs- und Navigationstechnik (Flussradar, Ruderlagenanzeige, Wendeanzeiger, Windmesser, Echolot, Hauptruderhebel, Bugrudersteuerung, Autopilot) geblieben. Die Rheinkapitäne leiden unter einer dauerhaft großen Stressbelastung. 4) Einmal der vielen Flusskrümmungen wegen, dann auch, weil Strömungsverlauf, Wassertiefe und Wasserbreite sich fortwährend ändern. Obwohl der Fluss reguliert ist und die Wasserbaubehörden durch Gesetz gehalten sind, der Schifffahrt eine Fahrrinne zu garantieren, verändern Wasserführung und Strömungsdruck die Fahrverhältnisse täglich. Das Wasser fließt nicht gradlinig, sondern schwingt hin und her. Der Schiffsführer muss die sich ständig bewegenden Sandbänke kennen, er muss wissen, ob sich die Fahrrinne verändert hat und wo eine Durchfahrt gefährlich wird. Strömung und Wassertiefe ändern sich ständig, besonders nach einem Hochwasser. Bei Niedrigwasser haben es die Rheinkapitäne immer schwerer, Schiff und Ladung ohne Schaden in den Zielhafen zu bringen. 5)
2.1.3.1 Projekt Rheinstabilisierung
Um die Zukunft des Rheins als Schifffahrtsstrasse zu sichern, sind großangelegte Maßnahmen zur Sanierung und Stabilisierung des Flusses sowie der Randgebiete notwendig. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion West in Münster, als Baubehörde zuständig für den Verkehrsweg Rhein zwischen Bad Honnef und Emmerich, hat deshalb ein Sanierungsprogramm erarbeitet, das auf den Strom und seine Uferlandschaften stabilisierend wirken soll. Man beabsichtigt, mit möglichst geringen Korrekturen ein Maximum an dauerhaftem Nutzen zu erreichen.
Mit der BAW (Bundesanstalt für Wasserbau) in Karlsruhe übernimmt eines der führenden Forschungsinstitute für wasserphysikalische und strömungstechnische Abläufe den wissenschaftlichen Anteil der Rhein-Sanierungsprojekte. Um für den Rheinlauf von Bad Honnef bis Emmerich das beste Hilfsprogramm zu entwickeln, wurden bestimmte Stromabschnitte, mit bis zu 8 km Einzellänge, im Maßstab 1:100 naturgetreu nachgebaut. Nun simulieren Wissenschaftler am Modell bei unterschiedlichen Wasserständen, ob und in welcher Beschaffenheit Strombauwerke und Ufergestaltungen das gewünschte Ergebnis für den Rhein erbringen. Monatelang wird das Konzept verfeinert, bis man den besten Kompromiss zwischen technischer Lösung und naturnaher Gestaltung gefunden hat.
Ziel ist es, dem Rhein einen idealen Querschnitt zu geben. Dazu plant man Untiefen und Engpässe im Strom, gefährliche Stromschleifen sowie zu enge oder zu weite Vorländer des Flusses so zu verändern, dass der Rhein künftig wieder bei allen Wasserständen ausgeglichen fließen kann und die schädlichen Erosionen und Ablagerungen dauerhaft verhindert werden.
Im Rahmen der Hilfsprojekte wurden bereits Maßnahmen wie Kolkverbau*, Bau von Buhnen* und Parallelwerken* sowie Anlage von Leitdämmen und Leitufern ergriffen. 6)
M1 - Beispiel für Sanierungsmaßnahmen an einer Flussbiegung
An dieser Grafik sind deutlich die Buhnen, zur Herabsetzung der Fließgeschwindigkeit, der Kolkverbau* zur Ausbesserung des Flussbettes, sowie Ausbaggerungen, zur Beseitigung von Ablagerungen und Erhaltung der Fahrrinne, zu erkennen.
2.1.3.2 Sanierungsmaßnahmen im Bereich des Mittelrhein zur Erhaltung der Schiffbarkeit 1998
Für die geplante Vertiefung im Bereich des Weißenthurmer Werthes wurden die oben beschriebenen Modelluntersuchungen bei der Bundesanstalt für Wasserbau beendet. Die Untersuchungen haben ergeben, dass auf Grund der ausgeglichenen Wasserführung bei niedrigen wie auch höheren Wasserständen der Bau eines Parallelwerkes keine Verbesserung der Geschiebeverteilung bringen würde. Die Ausbautiefe wird daher in Zukunft mit periodischen Baggerungen erhalten. 7)
Zur Beseitigung von örtlichen Anlandungen in der Fahrrinne wurden zwischen Rhein-km 527,0 und 559,0 insgesamt 26.760 m³ Geschiebe und im Bauhafen Koblenz-Ehrenbreitstein (Rhein-km 591,3) 5.300 m³ Sohlenaufhöhungen gebaggert und an geeigneten Stellen dem Strom wieder zugegeben. Zum Ende des Jahres 1998 musste eine niederländische Baggerfirma freihändig beauftragt werden, schnellstmöglich Anlandungen zwischen Rhein-km 538,0 und 538,6 zu beseitigen, da dort nur noch eine 40 m breite Fahrrinne zur Verfügung stand. 8)
2.2.1 Erläuterungen zum Kartenmaterial